Boom Bus – Ein musikpädagogisches Flüchtlingsprojekt

Seit dem Sommer 2015 haben über zweieinhalb Millionen Flüchtlinge in einem EU-Land einen Asylantrag gestellt. Über eine Million von ihnen ist entlang der Mittelmeer-Routen über Griechenland oder Italien eingewandert. Während die gesamte Europäische Union sich noch immer über einen passenden Verteilungsschlüssel streitet, leiden gerade die Grenzländer unter der enormen Einwanderungswelle. Eine kaum zu bewältigende Menge an Menschen, denen nicht nur in ihrem Heimatland in den meisten Fällen schweres Leid widerfahren ist – auch in den Aufnahmeländern wird es immer schwerer, den schutzsuchenden Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen.

Der Boom Bus bringt Flüchtlingskindern das Musizieren näher

Mit diesem Bus sind Annabel und Bram gerade unterwegs nach Griechenland

Mit dem Projekt „Boom Bus“ versuchen nun zwei Niederländer, Kindern in Flüchtlingsheimen in Griechenland mittels Musik eine Möglichkeit zur Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu geben. Aktuell sind Annabel und Bram mit ihrem Kleinbus voll gepackt mit Boomwhackers auf dem Weg nach Griechenland. Wir konnten die Gelegenheit nutzen, um mit den beiden ein kurzes Interview zu führen.

1. Könntet ihr euch kurz vorstellen?

Wir sind Annabel Jansen und Bram Wassinc. Wir sind beide aus Amsterdam und wir haben uns beim Gitarrenunterricht kennengelernt: Bram unterrichtete den Jungen, für den ich während meines Studiums Kinderpflegerin war. Bram hat am Königlichen Konservatorium von Amsterdam Bassgitarre studiert und ist nun Musiker und Gitarrenlehrer; ich habe an der Universität Amsterdam „Kulturelle Analysen“ studiert. Vor kurzem habe ich mein Studium abgeschlossen und arbeite auch als Fotografin bzw. Filmemacherin.

Annabel Jansen ist Fotografin und Filmemacherin.

2. Können ihr das Boombus-Projekt kurz beschreiben?

Der Boom Bus bringt die heilende Kraft der Musik den Menschen näher, die es am meisten brauchen. In diesem Fall sind es Kinder in Flüchtlingslagern und Asylzentren. Wir glauben, dass die Flüchtlingskrise in Griechenland am schlimmsten ist, also haben wir beschlossen, mit einem Bus voller Instrumente zu den Kindern zu fahren, die in Lagern stecken und dort auf eine Anerkennung warten.

Bram Wassinc ist Musiker und Gitarrenlehrer.

3. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Ich war schon immer ein sozialer Mensch. Nach meinem Studium hatte ich endlich die Zeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich habe mich immer sehr schlecht gefühlt, wenn ich die vielen Kinder gesehen habe, die in den Auffanglagern gestrandet sind. Daher habe ich mich schließlich dazu entschieden, etwas zu tun. Bram und ich haben viel darüber gesprochen, wie hilfsbereit und heilend Musik sein kann. Zu dem Zeitpunkt hat er gerade einen Musik-Workshop mit Menschen im Altenheim gegeben und da ist die Idee entstanden, dass wir Musik zu Flüchtlingskindern bringen könnten. Bram hatte zuvor schon mit Boomwhackers gearbeitet. Also haben wir beschlossen, einen Workshop mit diesen bunten Röhren zu machen. Und so sind wir soziale musikalische Troubadours geworden.

4. Habt ihr das schon mal gemacht?

Wie ich schon sagte, Bram hat viel Erfahrung im Unterrichten von Kindern und älteren Leuten.

5. Warum habt ihr euch für Boomwhackers als Instrument entschieden?

Mit einem Buss voll Boomwhackers fahren die Beiden nach Griechenland

Vor allem wegen ihrem rein rhythmischen Klang, den bunten Farben und der leichten Bespielbarkeit. Kinder müssen keine erfahrenen Musiker sein, um Boomwhackers zu spielen. Und weil sie sich hervorragend zur Förderung von Teamarbeit eignen. Gemeinsam kann man mit Boomwhackers Musik machen – allein kann man sie aber nicht wirklich spielen, du wirst immer andere brauchen. Und wir wollen, dass die Kinder in den Lagern Gemeinsamkeiten entwickeln und keine Angst voreinander haben.

6. Könnt ihr eure Arbeit beschreiben? Wie läuft ein durchschnittlicher Tag bei euch ab?

Zum ersten Mal haben wir im Flüchtlingsheim Almere Unterricht gegeben. Zusammen mit einer Gruppe von 20 Kindern haben wir Lieder gespielt, getanzt und gemalt. Es war eine sehr vielseitige Werkstatt. Jetzt, wo wir den nächsten Schritt gehen, werden wir auch Leute dafür ausbilden, den Unterricht fortzusetzen.

7. Welche Rolle spielt die musikalische Ausbildung für Flüchtlingskinder aus eurer Sicht?

Wir hoffen, dass es dabei hilft, die Wunden des Krieges zu heilen. Wir hoffen wirklich, dass wir ihnen ein bisschen Freude in ihrem Leben zurück geben können. Diese Kinder haben so viel verloren und alles ist so unsicher. Wir können diese Situation nicht ändern, aber wir können ihnen die Chance geben, sich durch Musik auszudrücken, zu tanzen und Spaß mit anderen Kindern zu haben.

8. Was treibt euch an, ein solches Projekt zu machen?

Bram und ich sind beide soziale Leute, wir sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, um anderen zu helfen. Wir fühlen, dass die Welt Menschen braucht, die sich gegenseitig helfen. Und jeder Künstler kann seine Kunstform benutzen, um andere dazu zu inspirieren, dasselbe zu tun.

9. Eure Reise hat gerade erst begonnen. Was sind eure Pläne? Wie lange werdet ihr auf der Straße sein?

Wir haben gerade Holland verlassen und sind auf dem Weg nach Griechenland. Wir beginnen in Flüchtlingslagern in Thessaloniki. Wir werden dort etwa sechs Wochen bleiben, um Freiwillige zu trainieren. Diese Freiwilligen werden dort zu Boomwhacker-„Spezialisten“ ausgebildet, damit sie fünfmal pro Woche Musikunterricht geben können. Ziel ist es, in jedem Camp so lange zu bleiben, bis wir ein Abendprogramm mit Kindern auf die Beine gestellt haben, um zu zeigen, woran wir gearbeitet haben. Dann geht es weiter zum nächsten Camp in Edomini. Und so werden wir bis Ende Dezember fortfahren.

10. Wie wird das Projekt finanziert und wie können Sie unterstützt werden?

Das Projekt wurde durch Crowdfunding und durch den Amsterdam Arts Fonds unterstützt. Außerdem versuchen wir, mit so wenig wie möglich zu leben. Wir können in unserem Bus schlafen und brauchen im Grunde kein Geld außer für Benzin und das nötige Essen. Wir essen Haferflocken, Reis und Gemüse und trinken nur Wasser 🙂 Das leben im Bus ist also sehr erschwinglich.